Text: Karin Pasterer Bild: Mia Maria Knoll
„Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“
Mit diesem Zitat von Max Frisch leiten Claudia Wolf und Roman Beckord von BUCKETRIDE ihr Posting zu den aktuellen Schwierigkeiten in der Reisebranche auf Facebook ein. Und genau dieser Optimismus bringt die beiden zertifizierten Mountainbike-Guides mit ihrem jungen Unternehmen durch diese schweren Zeiten. Gegründet wurde das Reise-Startup zu Jahresbeginn 2020. Und dann kam Corona …
Job gekündigt, Businessplan fertig und bereit zum Durchstarten… und plötzlich eine Pandemie, die alle Pläne durcheinanderwirft. Mit BUCKETRIDE haben Claudi und Roman ein Unternehmen gegründet, das Mountainbiken und Campen verbindet und unvergleichliche Urlaubserlebnisse kreiert.
Die Sonne steht am Zenit als wir mit unserem Van in der Toskana eintreffen. Wir haben uns mit den beiden BUCKETRIDERN vergangenen Herbst – noch vor dem nächsten Lockdown – im Süden verabredet, denn für dieses Firmenportrait ist die favorisierte Destination des jungen Reiseunternehmens weit aussagekräftiger als der Firmensitz in Ismaning.
Noch bevor uns Roman mit einem breiten Grinsen im Gesicht am Tor zum Campingplatz empfängt staunen wir über die riesigen Kiefern, die den Strand am Golf von Baratti schmücken, und die typischen Zypressen-Alleen. Inmitten von Olivenhainen treffen wir beim Agricampeggio Podere Etrusco ein, wo uns ein Hund namens Leon freundlich begrüßt. Wir zögern nicht lange, packen unsere Bikes aus und machen uns fertig für die erste Tour zum historischen Dorf Populonia. Nach der gemütlichen Aufwärmrunde heizen wir in unserem Basecamp den Grill an und öffnen eine Flasche des hofeigenen Weins. Bei einem gemütlichen Lagerfeuer-Gespräch erzählen uns Claudi und Roman über die Achterbahnfahrt ihrer Unternehmensgründung und wie sie diese Zeit mit Optimismus und Lebensfreude meistern.
Karin Pasterer: First things first - Wie habt ihr euch kennengelernt?
BUCKETRIDE: Kennengelernt haben wir uns kurz nach Neujahr 2014. Ich (Roman) habe nach dem Snowboarden am Silvesterabend 2013 einige von Claudis guten Freunden in Hochfügen kennengelernt. Darunter auch ihre beste Freundin. Claudi selber war an diesem Abend leider nicht dabei. Sie hat in Innsbruck Silvester gefeiert, wo sie damals studiert hat. Zwei Tage später haben ihre Freunde sie - inklusive mir und meinem Kumpel im Gepäck - in ihrer damaligen Wahlheimat besucht. Dort haben wir uns kennengelernt und danach ging alles seinen Lauf. Im Sommer desselben Jahres erlebten wir dann unsere ersten gemeinsamen Mountainbike Abenteuer. Im Herbst kam direkt unser Camper ‚Hanz‘ dazu. Seitdem sind wir ziemlich viel unterwegs und nicht zu stoppen.
Karin Pasterer: Und dann habt ihr eure Jobs gekündigt und alles auf eine Karte gesetzt. Wie kam es zu dieser Idee? Welchen Zugang habt ihr zum Mountainbiken und welche Jobs habt ihr für euer Start Up hinter euch gelassen?
BUCKETRIDE: Ich (Roman) habe damals bei einem Entwicklungsdienstleister für BMW als Projektmanager gearbeitet. Eigentlich habe ich Sport- und Freizeitmanagement studiert und bin dann als Quereinsteiger in Fahrzeug-Entwicklungsprojekten gelandet. Mir war schon relativ bald klar, dass ich diesen Job nicht für immer machen werde, vor allem da die Perspektiven für Quereinsteiger nicht besonders vielversprechend waren. Die Idee zu BUCKETRIDE entwickelte sich nach und nach. Anfangs war es die private Leidenschaft, in der Freizeit mit dem Camper und dem Mountainbike unterwegs zu sein und neue Orte und Trails zu erkunden. Dann kam der Gedanke eines rollenden Mountainbike-Hostels. Diese Idee verfestigte sich einige Zeit im Hinterkopf. Als meine Beauftragung seitens BMW Ende 2018 endete hatte ich die Wahl: entweder ich nahm ein anderes BMW-Projekt in einem ähnlichen Umfeld an oder ich verfolgte eine eigene Idee weiter. Claudi war zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Masterstudium fertig und arbeitete schon eine ganze Weile freiberuflich als Sportwissenschaftlerin – für sie würde es also lediglich eine Verschiebung ihrer Kapazitäten bedeuten. Also entschieden wir uns, die Gelegenheit zu nutzen und unsere Idee in die Tat umzusetzen. Aus der ursprünglichen Hostel-Idee in Form eines Reisebusses entwickelte sich dann das aktuelle BUCKETRIDE Konzept, bei dem jeder seine eigene Unterkunft, wie z.B. Camper oder Zelt, dabei hat.
Zum Mountainbiken sind wir ganz klassisch über Freunde gekommen, die diesen Sport bereits ausübten. Fasziniert hat uns dabei schon immer die Nähe zur Natur und vor allem das Abenteuer. Viele unserer Touren endeten damals irgendwo im Dickicht. Dennoch war es immer dieser Reiz, neue Trails zu entdecken, der uns antrieb. Nach einer langen Entdeckungstour dann den Abend vor den Campern gemeinsam mit unseren Freunden ausklingen zu lassen, war dann noch der Höhepunkt.
Karin Pasterer: Corona außen vor: Was waren die größten Schwierigkeiten? Welche Herausforderungen musstet ihr meistern und was ging euch überraschenderweise leicht von der Hand?
BUCKETRIDE: So eine Unternehmensgründung bringt natürlich viele Kleinigkeiten mit sich welche organisiert und erledigt werden müssen. Welche Versicherungen benötigt man v.a. als Reiseveranstalter, welche rechtlichen Aspekte sind zu beachten, auch im Hinblick auf Datenschutz, AGB und die Website, Social-Media-Kanäle, etc. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Themen mit denen man sich als Gründer beschäftigen muss. Jeder, der zum ersten Mal ein Unternehmen gründet kennt das. Das sind alles keine großen Sachen, aber ohne sie geht es nicht. Zum Glück haben wir einen guten Steuerberater in der Familie.
Die größte Herausforderung ist vermutlich einen Bekanntheitsgrad für unser Produkt aufzubauen. Da BUCKETRIDE noch ein sehr junges Unternehmen ist und es vorher noch niemanden gab der Mountainbike- & Camping-Abenteuer in der Kombination angeboten hat, sind sowohl BUCKETRIDE als Unternehmen als auch unser Produkt relativ unbekannt. Nur wenige wissen, dass man Mountainbike- & Camping-Abenteuer buchen kann und wonach man suchen muss. Das ist ein Thema das uns nach wie vor stark beschäftigt. Vor allem, da wir ein sehr begrenztes Budget für Marketing-Maßnahmen haben ist es schon eine große Herausforderung.
Besonders leicht fiel uns tatsächlich von Anfang an die Durchführung unsere Reisen und Camps an sich. Es lief im Großen und Ganzen alles so, wie wir es uns vorgestellt haben. Es gab keine besonderen Überraschungen oder Dinge, die wir im Vorfeld nicht beachtet haben. Das zeigt uns, dass es richtig war unserer Leidenschaft nachzugehen und diese in einem Geschäftsmodell umzusetzen.
Karin Pasterer: Nun bietet ihr den warmen Süden als Reiseziel für einen eurer Roadtrips an. Warum gerade die Toskana und wie wählt ihr die Spots aus?
BUCKETRIDE: Irgendwie haben wir eine Liebe zu Trailabfahrten mit Blick aufs Meer, welche in einsamen romantischen Buchten enden, entwickelt. Als wir das erste Mal in der Toskana zum biken waren haben wir Punta Ala und Massa Marittima besucht. Das hat uns schon sehr gut gefallen. Da diese Spots aber schon relativ bekannt waren haben wir uns beim nächsten Mal auf die Suche nach Alternativen etwas abseits des Mainstream gemacht. Die Toskana bietet alles was man sich wünschen kann. Eine lange Küste die nicht so überlaufen ist wie die Ligurische. Ein mildes Klima auch in den Wintermonaten. Super Trails an kleinen Spots ohne Massen-Bike-Tourismus. Eine gute Erreichbarkeit und ganz viel Dolce Vita. Deshalb die Toskana.
Ein Spot muss für uns folgende Kriterien erfüllen. Er darf nicht zu groß und bekannt sein, muss aber trotzdem eine gewisse Trail-Auswahl mit einer entsprechenden Qualität bieten. Es muss eine gewisse Infrastruktur vorhanden sein. Also (am besten einzigartige) Übernachtungsplätze von denen aus man mit den täglichen Trail-Touren starten kann und Versorgungsmöglichkeiten. Außerdem sollte man den Spot auch zwischen den Mountainbike-Aktivitäten genießen können. Das können ein schöner Strand, Kulturmöglichkeiten oder auch einfach ein netter Ort sein.
Karin Pasterer: Was waren eure ersten Gedanken, als Corona und die damit einhergehenden Reisebeschränkungen über das Land rollten?
BUCKETRIDE: ‚Wird schon nicht so lange dauern. Ab Ostern (2020!) wird schon wieder was gehen.‘ Da haben wir uns eines Besseren belehren lassen müssen…
Karin Pasterer: Ich habe gesehen, dass ihr eine Crowdfunding Kampagne gestartet habt, über die ihr sehr viel Zuspruch und Unterstützung erhalten habt. Habt ihr damit gerechnet, dass am Ende so viel dabei rauskommt? Inwiefern hat euch das geholfen?
BUCKETRIDE: Damit haben wir absolut nicht gerechnet. Schon allein so eine Kampagne aufzusetzen war eine tolle und interessante Erfahrung für uns. Finanziell hat es uns geholfen, unsere unternehmerischen Aktivitäten in den Monaten ohne Einkünfte fortführen zu können – zumal wir ja noch überhaupt keine Gelegenheit hatten, Rücklagen zu bilden und die Staatshilfen minimal sind. Auf der anderen Seite hat es uns auch gezeigt, wie groß das Interesse an unserem Thema bzw. unserer Idee ist. Der Zuspruch war wirklich beeindruckend und überwältigend und hat uns sehr in unserem Handeln bestätigt. Wir konnten daraus unglaublich viel Mut und Motivation schöpfen, um weiter zu machen. Auch die Reichweite, die man mit einer Crowdfunding Kampagne generiert ist nicht zu unterschätzen. Das hat uns ebenfalls überrascht und war definitiv ein positiver Nebeneffekt.
Karin Pasterer: Ihr seid ja unglaublich positive Menschen. Wo andere längst den Kopf hängen lassen und das Handtuch werfen, legt ihr so richtig los. Wie sieht euer Plan B aus, wenn die Grenzen in den warmen Süden doch noch länger geschlossen bleiben?
BUCKETRIDE: Wir mussten ja bereits 2020 unsere Strategie ein wenig anpassen was die Ausrichtung unserer Angebote betrifft. Vom ursprünglichen Fokus auf einwöchige Roadtrips vor allem ins Ausland haben wir die Gewichtung auf mehrtätige Camps vor allem im Inland gelegt. Das wird auch in diesem Jahr wieder der primäre Fokus sein. Wenn man sich unseren Veranstaltungskalender für dieses Jahr ansieht wird das schnell deutlich.
Karin Pasterer: Das heißt es muss also nicht immer eine Reise ins Ausland sein, denn Deutschland hat auch innerhalb seiner Grenzen einige schöne Plätze zu bieten. Erzählt uns doch was euch mit den Stopps verbindet und was auf eurem Plan für 2021 steht.
BUCKETRIDE: Das stimmt. Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie schön unsere Heimat eigentlich ist. So haben wir uns letztes Jahr auf den Weg gemacht unser Zuhause neu kennenzulernen. Dabei hat uns die Schönheit und die Vielfalt des Bayerischen Waldes beeindruckt. Hier bieten wir 2021 neben einem einwöchigen Roadtrip auch einen 4-tägigen Kurztrip und mehrere Bike-Camps - darunter auch reine Frauen-Camps - im Bikepark Geisskopf an. Außerdem hat es uns bei unserer Recherche in den Schwarzwald verschlagen. Dort haben wir einen Spot gefunden an dem wir in diesem Jahr ebenfalls ein 2-tägiges MTB-Camp im Einsteigerbereich anbieten. Dann gibt es noch einen kleinen Trailpark im Altmühltal welchen wir für unsere Camps nutzen. Für die dort integrierte Fahrtechnikschule haben wir in der Vergangenheit bereits Fahrtechnik-Kurse gegeben, daher kennen wir die Betreiber und das Gebiet gut und freuen uns über die Zusammenarbeit. Am Ochsenkopf im Fichtelgebirge haben wir 2019 einen Teil unserer Ausbildung zum Mountainbike-Guide und Mountainbike-Fahrtechniktrainer absolviert. Bei dieser Gelegenheit konnten wir das Gebiet kennenlernen und bieten hier in diesem Jahr wieder 3-tätige Camps an. Die Betreiber vom Bikepark Oberammergau kennen wir schon länger persönlich. Im Bikepark Oberammergau haben wir 2,5-tägige Bikepark Camps zu zwei verschiedenen Terminen im Programm. Ab Sommer planen wir dann außerdem wieder fest mit Tirol und Südtirol und spätestens im Herbst mit der Toskana. Tirol und Südtirol sind unsere Destinationen für ‚Enduro‘-Camps mit alpinerem Charakter. Mit dem Spot im Stubaital in Tirol haben wir einen absoluten Geheimtipp am Start. Die Locations in Südtirol sind die 3-Länder-Trails am Reschensee und die Bike-Strecken rund um den Molvenosee in den Brentner Dolomiten. Beides keine unbekannten Spots, dafür aber immer einen Trip wert. Wer mehr zu den einzelnen Spots erfahren will kann gerne auch auf unserem Instagram- oder Facebook-Profil vorbeischauen. Dort stellen wir regelmäßig unsere Spots einzeln vor.
Karin Pasterer: Lasst uns übers Träumen reden: Was wünscht ihr euch in Zeiten wie diesen?
Wir träumen von einer Zukunft in der wir Menschen wieder näher zusammenrücken. Weniger Ellbogen, mehr offene Arme, mehr Toleranz und vor allem mehr Unbeschwertheit. Wir möchten uns wieder umarmen und gemeinsam Zeit verbringen können ohne an Mindestabstand und Maske zu denken. Wir träumen von Zeiten, in denen die Angst vor Corona aus den Köpfen verschwunden ist. Wir wollen uns wieder trauen dürfen, einander zu spüren. Soziale Interaktionen ohne Einschränkungen sollen wieder ganz normal sein. Das fehlt uns sehr – sowohl uns persönlich als auch unserer Gesellschaft im Allgemeinen.